Aktuelles

Die geänderte Verordnung wird zum 01.04.2023 gültig.

Mit dem Beschluss des Bundesrates vom 16.12. 2022, veröffentlicht in der Drucksache 562-22 wurde die Erste Änderung der Baustellenverordnung festgelegt.

Die Änderungen betreffen im Wesentlichen zwei unterschiedliche Gesichtspunkte: zum einen berücksichtigte damit die Bundesregierung das Vertragsverletzungsverfahren der europäischen Kommission aus 2021, zum anderen wurde für die Flexibilisierung der Baustellenverordnung die Zuständigkeit des ASTA (Ausschuss für Arbeitsstätten) eingefügt.

Der Fachbereich Bau hat die geänderte Verordnung in einem gesonderten Artikel ausführlich dargestellt und kommentiert - siehe unten.

Links:

https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Branchen/Bauwirtschaft/Baustellenverordnung/Baustellenverordnung.html

https://www.recht.bund.de/bgbl/1/2023/1/VO

Änderung der Baustellenverordnung zum April 2023

Die Richtlinie der europäischen Kommission 92/57/EWG „über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz“ aus dem Jahr 1992 war in der Bundesrepublik Deutschland zum 01.07.1998 als Baustellenverordnung / BaustellV (Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen) eingeführt worden. Bis heute erfolgten zum Januar 2005 und zum April 2023 Ergänzungen sowie in 2016 und 2017 Anpassungen von enthaltenen Begriffen. Der Stand des ergänzenden technischen Regelwerks (Regeln für Arbeitsschutz auf Baustellen - RAB) bezieht sich auf November 2003.

In der Richtlinie 92/57/EWG wurden die Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz für Arbeitnehmer bei der Arbeit auf Selbständige und auf Arbeitgeber, die selbst eine berufliche Tätigkeit auf einer Baustelle ausüben, ausgedehnt. Um eine allgemeine Wirksamkeit zu erreichen, müssen Richtlinien der Europäischen Union in jedem Mitgliedsland in das nationale Recht umgesetzt werden. Diese Umsetzung sollte spätestens zum 31.12.1993 vollzogen sein.

In Deutschland erfolgte die geforderte Umsetzung erst 1998 mit der Einführung der BaustellV: Sie wurde zum 01.07.1998 als eine nachrangige Verordnung zum Arbeitsschutzgesetz wirksam. Öffentliche Bauherren sollten jedoch bereits 1994 die entsprechenden Maßnahmen umsetzen; was zumindest rein formal erfolgte.

Die Anwendung der BaustellV war jedoch durch nicht ausreichend präzisierte Begrifflichkeiten und damit fehlendem technischen Regelwerk begleitet. Behörden, Bauherrn und Bauwirtschaft sowie die neu eingeführten Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren waren offenen Fragen zu Art, Inhalten und Umfang der erforderlichen Leistungen aber auch zum Zusammenspiel der beteiligten Akteure ausgesetzt. Die unvollständig ausgeübte Praxis der Sicherheits- und Gesundheitsschutz Koordination in öffentlichen Bauvorhaben trug dazu ebenfalls stark bei.

Im Zeitraum bis Ende 2000 waren durch die zuständigen Behörden zusammen mit den betroffenen Einrichtungen und Verbände aus der Bauwirtschaft sukzessive Informationen und Regelungen für die Umsetzung der BaustellV erarbeitet und publiziert worden. Parallel dazu erfolgte die Benennung eines zuständigen Ausschusses „Ausschuss für Sicherheit und Gesundheitsschutz auf Baustellen (ASGB)“, der das technische Regelwerk der Regeln „Arbeitsschutz auf Baustellen - RAB“ zu erarbeiten hatte. Die RAB´s wurden nacheinander im Zeitraum von November 2000 bis November 2003 veröffentlicht. Sie stellen auch heute noch den gültigen Stand der technischen Informationen zur BaustellV dar.

Im Jahr 2005 erfolgte die erste Anpassung der BaustellV. Dabei wurde im Paragraf 3 der Satz 1a mit der folgenden Formulierung ergänzt: „Der Bauherr oder der von ihm beauftragte Dritte wird durch die Beauftragung geeigneter Koordinatoren nicht von seiner Verantwortung entbunden“. Somit wurde klargestellt, dass ein beauftragter Koordinator als Erfüllungsgehilfe des Normenadressat (Bauherr bzw. des beauftragten Dritten) handelt. In weiteren Änderungen in 2016 und 2017 wurden Begriffe im Anhang 2 Nummer 2 zum Gefahrstoffrecht (2016) und Nummer 3 zum Strahlenschutz (2017) angepasst.

Bereits seit 2014 erfolgten seitens der Fachverbände für Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren (BDK, VDSI und VSGK) Hinweise und Anfragen an das BMAS, dass eine Überarbeitung der technischen Regeln dringend erforderlich sei. Darin wurde unter anderem aufgeführt, dass in der Praxis mittlerweile bewährte Mittel und Techniken der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination auf Baustellen weiterentwickelt worden waren, die so in den RABs nicht berücksichtigt sind. Dies gilt für die zentralen Dokumente Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan sowie der Unterlage für spätere Arbeiten an der baulichen Anlage sowie standardisierte Koordinationsverfahren während der Ausführung. Außerdem erfolgten immer wieder Hinweise darauf, dass aus Sicht der Verbände eine unzureichende Beteiligung des Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren in der Planungsphase vorliegt. All diese Fakten waren ebenfalls regelmäßig in der Fortbildungsreihe „Bundeskoordinatorentags“ berichtet und diskutiert worden. Auf die schriftlichen Anfragen der Verbände war seitens der zuständigen Behörde darauf verwiesen worden, dass derzeit keine Möglichkeit für eine derartige Anpassung des technischen Regelwerks bestünde. Der dafür zuständige Ausschuss „ASGB“ Ende 2003 war geschlossen worden und die bestehende BaustellV bietet keine Möglichkeit einen Ausschuss zu beauftragen.

Mittlerweile verstärkte ein Beschwerdeverfahren der europäischen Kommission wegen Abweichungen der deutschen BaustellV von den Inhalten der RL92/57/EWG die Bestrebungen eine Anpassung der Baustellenverordnung durchzuführen. Mit Wirksamkeit zum 01.04.2023 wurde die dritte Anpassung der BaustellV eingeführt. Der aktuelle Text ist am einfachsten über die Homepage der BAuA (https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung-im-Betrieb/Branchen/Bauwirtschaft/Baustellenverordnung/Baustellenverordnung.html) zu erlangen. Die Änderungen sind im Text unten im Einzelnen beschrieben.

Änderungen der Baustellenverordnung und deren Kommentierung:

Im §2 (4) wird eine Informationspflicht (des Verantwortlichen) als neue Aufgabe für Baustellen, die ausschließlich von einem einzelnen Unternehmer (komplett) ausgeführt werden und für die eine Vorankündigung notwendig ist oder auf denen besonders gefährliche Arbeiten ausgeführt werden, eingeführt. Der Unternehmer ist dabei über die wesentlichen Umstände auf dem Gelände, die Sicherheit und Gesundheitsschutz betreffen, zu unterrichten.

Bislang war in einzelnen Stellen der Baustellenverordnung, in denen der Bauherr (bzw. der beauftragte Dritte) benannt wurde oder diesem Verantwortung oder Aufgaben zugewiesen wurden, mit passiven Formulierungen ohne Bezug aufgeführt. Diese Stellen werden nun im gesamten Gesetzestext durch aktive Formulierungen der Aufgabe an den „Verantwortlichen“ (nach §4)“ ersetzt.

Im § 5 Pflichten der Arbeitgeber wird unter (1) der Punkt 6 Hinweis auf besonders gefährliche Arbeiten nach Anhang II ergänzt.

Im neuen Paragraf 6a wird der Ausschuss für Arbeitsstätten - ASTA als fachlich beratende Institution (zuständiger Ausschuss) benannt. Diese Institution besitzt auch die Zuständigkeit für Anpassungen und Änderungen der RABs.

Im Anhang II der Baustellenverordnung, (besonders gefährliche Arbeiten) werden Nummer 2 und Nummer 10 neu gefasst.

Nummer 2 führt Kriterien für besonders gefährliche Arbeiten beim Umgang mit Gefahrstoffen an. Die Neufassung konkretisiert die Kriterien für die zu betrachtenden Gefahrstoffe gemäß den mittlerweile gültigen Bezeichnungen im Gefahrstoffrecht.

Nummer 10 ordnete bislang den Aufbau oder Abbau von Massivbauelementen mit mehr als 10 t Einzelgewicht den besonders gefährlichen Arbeiten zu. In der Neufassung erfolgt nun die Zuordnung ohne die Benennung eines unteren Grenzwertes des Einzelgewichts. Kriterium ist nun, wenn aufgrund der Masse der zu betrachtenden Bauteile kraftbetriebene Arbeitsmittel zum Heben von Lasten oder kraftbetriebene Arbeitsmittel zum anderweitigen Versetzen von Lasten eingesetzt werden.

Die oben aufgeführten Änderungen können wie folgt kommentiert werden:

Die Ergänzung der Baustellenverordnung um den Begriff des Verantwortlichen hat für die/den beauftragten Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator(-in) kaum eine Bedeutung. Sie dient lediglich der juristischen Präzisierung der Zuordnung der ohnehin bestehenden Aufgaben und Verantwortungen des Bauherrn.

Die Umsetzung der geforderten Informationspflicht im § 2 kann als problematisch betrachtet werden:

  • Dass entsprechende Bauherren über diese Verpflichtung unterrichtet werden, ist erfahrungsgemäß nicht sicherzustellen. Gleiches gilt für entsprechend betroffene Unternehmer bzw. Planungsbüros.
  • Der individuelle Umfang an erforderlichen Informationen wird erwartungsgemäß stark variieren und es ist davon auszugehen, dass die betreffenden Umstände den meisten Bauherrn erst einmal ohnehin nicht bekannt sein dürften.
  • Entsprechend ausgebildete Personen - Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren - sind für derartige Baustellen gemäß BaustellV nicht vorgesehen.
  • Die gegebenenfalls notwendige Kontrolle zum Beispiel durch Behördenvertreter hinsichtlich des rechtzeitigen Informationsübertrags kann ebenfalls nicht sichergestellt werden.

Für Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren ist deshalb diese Anpassung vorerst bedeutungslos.

Im Paragraf 6A erfolgt nun eine Beauftragung des Asta als beratendes Gremium des BMAS. Damit besteht nun die Möglichkeit in allen Fragen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten und der Selbstständigen auf Baustellen neue Vorgaben zu erarbeiten und einzubringen.

Im Vorfeld der entsprechenden Gesetzesvorlage hatten, im Rahmen der Anfrage des BMAS, die Verbände der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren diesem mitgeteilt, dass aus deren Sicht bei der derzeitigen Besetzung des ASTA die zusätzliche Beteiligung dieser Verbände verbindlich erfolgen muss. Diese Beteiligung muss auch über eine rein beratende Form hinausgehen. Eine Beantwortung dieser Mitteilung oder entsprechende Zusicherung liegt bislang nicht vor.

Die Anpassungen im Anhang 2 Nummer 2 (Gefahrstoffe) hat in Bezug auf die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordination wenig Auswirkungen, da im Wesentlichen damit die Änderungen in entsprechenden Regelwerken nachvollzogen wird und das einschlägige Wissen bei diesem Personenkreis ohnehin vorauszusetzen ist.

Damit verbleibt die 2. Änderung im Anhang der Baustellenverordnung. Sie bezieht sich auf die Zuordnung zu besonders gefährlichen Arbeiten beim Umgang mit schweren Bauteilen. Die europäische Richtlinie sieht dazu keine Konkretisierung von Eckwerten der Masse entsprechender Bauteile vor. Die Anpassung im Anhang 2 Ziffer 10 der Baustellenverordnung an die Vorgaben der europäischen Richtlinie weist nun als wesentliches Kriterium den Einsatz von kraftbetriebenen Arbeitsmitteln, zum Beispiel Krane oder andere Maschinen beim Transport, Montieren oder Versetzen während des Auf- und Abbauens aus. Damit gilt der Auf- und Abbau von Massivbauelementen auch mit deutlich geringeren Massen als 10 t als besonders gefährliche Arbeiten und ist entsprechend zu berücksichtigen. Werden für diese Tätigkeiten ausschließlich handbetriebene Arbeitsmittel eingesetzt, gelten sie im Allgemeinen nicht als besonders gefährliche Arbeiten.

Es sind also sowohl die bautechnischen Aspekte in der architektonischen Planung als auch arbeitstechnischen Aspekte der entsprechenden Ausführung zu erfassen und zu berücksichtigen.

  • Der / die Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator (in) muss damit bereits in der Planungsphase auf besonders gefährliche Arbeiten bei der Montage oder Demontage von Massivbauelementen prüfen und diese gegebenenfalls für die Koordination bewerten und einbeziehen.
  • Es ist davon auszugehen, dass Planer im Allgemeinen nicht über ausreichende, entsprechende sicherheitstechnische Kenntnisse verfügen, die für diese Identifikation, Prüfung und Bewertung erforderlich sind.
  • Werden die Koordinatoren, wie nach-wie-vor üblich, erst nach der Planungsphase beauftragt, so verschärft sich für alle Beteiligten die Brisanz durch nicht erkannte Risiken aus besonders gefährlichen Arbeiten.

Insgesamt lässt sich damit sagen, dass die Änderungen der Baustellenverordnung im Jahr 2023 zumindest die Möglichkeit eröffnen, die von den Verbänden lange geforderten Aktualisierungen des Regelwerks anzugehen. Die Aktualisierung des Regelwerks ist dringend erforderlich, da wesentliche Anpassungen offen sind.

Die Verbände der Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren Deutschland weisen an dieser Stelle erneut darauf hin, dass deren erfahrene Experten vollständig in den Überarbeitungsprozess einzubinden sind, sodass die bewährte gute Praxis in das anzupassende Regelwerk wirksam Eingang finden können.

30.03.2023